Referent: Dr. Karlheinz Hülser (Fachbereich Philosophie, Uni Konstanz).
Sinnesvielfaltund Bei-sich-sein bilden nicht notwendig einen Widerspruch, sondern könnendurchaus zusammengehören. Das ist eine alltägliche Erfahrung und trotzdem nichtselbstverständlich. Es anzuerkennen berührt vielmehr das Selbstverständnis derMenschen und hat spürbare Folgen. Hier etwas zu verändern war im 13.Jahrhundert nötig und überfällig, wie das auch verschiedene Zeugnisse von derReichenau und der Gegend ringsum zeigen, u.a. die „Kuhhaut“ von derGeorgskirche. Deutliche Hinweise zu der anstehenden Veränderung kamen vonbedeutenden Philosophen des Hochmittelalters, insbesondere von Thomas v. Aquin,und sie bezogen sich gerade auch auf die Themen, die in den besagten Zeugnissenvom Bodensee und Hochrhein von Belang sind: auf wechselnde Gedanken undVorstellungen, auf Schlafen und Baden. Thomas‘ Hinweise werden also vorgestelltund weiter verdeutlicht. Sie haben mit dem Verhältnis von Leib und Seele zutun, mit Sinnesvielfalt und Bei-sich-sein, und scheinen im Bodenseeraum auchaufgenommen worden zu sein.
Dr.Karlheinz Hülser studierte Philosophie, Theologie, Klassische Philologie undSoziologie. Publiziert hat er vorwiegend zu L. Wittgensteins Frühwerk, zuPlaton und zum Hellenismus. Vor allem erarbeitete er eine neue Sammlung derQuellentexte zur Logik, Semantik, Erkenntnislehre und Sprachtheorie der Stoiker(4 Bde., Stuttgart 1987/88) und hat zu diesen und angrenzenden Themen weitereStudien veröffentlicht. Seit 1986 lehrt er antike und mittelalterliche Philosophiean der Universität Konstanz, von 2005 bis 2009 außerdem an der UniversitätJena, und war von 2012 bis 2015 maßgeblich an einem deutsch-französischen ForschungsprojektJurisprudenz und Logik beteiligt, wo es um die Antike, um Leibniz und um dieGegenwart ging. Ständig befasst ist er mit der Leib-Seele-Thematik und derPhilosophie der Freundschaft. Zudem arbeitet er mit namhaften Verlagen zusammen,koordiniert philosophische Projekte und betreut Editionen unterschiedlichenInhalts.
Die „Reichenauer Sternstunden“ greifen Themeneines historischen Wissenschaftskanons auf und beleuchten sie aus Perspektiveaktueller Forschung neu. Die „Sieben Freien Künste" des frühmittelalterlichenBildungskanons bildeten hierbei den Ausgangspunkt.
Eine Veranstaltung der Universität Konstanz, der Gemeinde Reichenau, der Stiftung Welterbe Klosterinsel Reichenau und des ZfP Reichenau.
